Samstag, 6. Juni 2015

Spiegelbilder 3_2011_Gedanken zum Unterricht - Teil 1_veröffentlicht in der Chorika



Ein spannendes und mitunter auch heikles Thema und in vielen einschlägigen Foren intensiv diskutiert. Ja, es gibt eben keine staatlich geregelte Ausbildung und somit kann jeder, der sich berufen fühlt, den orientalischen Tanz unterrichten. Außerdem wissen wir alle aus unseren eigenen Schulzeiten, dass es durchaus auch staatlich geprüfte Lehrer gibt, deren pädagogische Fähigkeiten eher unterrepräsentiert sind, um es mal nett auszudrücken. Unterrichten - eine Gabe, die nicht nur aus Fachwissen, sondern auch aus den sogenannten Social oder Soft Skills besteht. Eine Chance für begabte Dozentinnen, aber auch eine große Gefahr! Unterrichten als Berufung oder als Broterwerb oder sogar beides? In dieser Ausgabe wird mein Beitrag wieder einmal hemmungslos direkt und gnadenlos ausfallen, man möge es mir verzeihen, aber meine Erfahrungen lehren mich Dinge, die ich nicht einfach unter den Tisch fallen lassen kann. Also hier meine Gedanken zum Thema Unterricht, unzensiert und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen!
Die Unterrichtsszene wird immer größer und das Angebot immer breiter gefächert, wie auch sonst sollten sich alle aus dem Boden sprießenden Dozentinnen ihre Kurse füllen. Es gibt kaum ein Dörfchen, in dessen Nähe nicht ein Bauchtanzkurs angeboten wird, und letztendlich ist das auch gut so, denn wir alle wissen die gesundheitlichen Vorzüge dieser Bewegungsart sehr hoch zu schätzen! Und da bin ich bei meinem Thema: An dieser Stelle haben wir Lehrerinnen eine Verantwortung – sind wir uns dessen immer bewusst? Ein physiologisch und auch psychologisch kompetenter Umgang mit den Schülern ist die Grundvoraussetzung für ein Lernen ohne „Nebenwirkungen“. Dies umzusetzen ist nicht einfach, haben wir doch alle auch unsere eigenen Unzulänglichkeiten. Ich persönlich nehme das Thema sehr ernst und hole mir regelmäßig Feedback bei meinen Schülerinnen, die ohnehin sagen, wenn sie etwas stört oder sie etwas nicht verstehen – eine Vertrauensbasis ist Grundvoraussetzung für den offenen Umgang miteinander, auch mit Kritik! Auch die Prämisse, den Tanz nicht zu lernen um damit auf die Bühne zu gehen, sondern erst einmal mit dem Ziel, mir und meinem Körper etwas Gutes zu tun, ist nicht selbstverständlich. Wie oft schon habe ich Anfängergruppen nach 2 bis 3 Monaten Unterricht mehr schlecht als recht auf der Bühne gesehen. Was macht das für einen Sinn? Die Muskulatur einer ungeübten Schülerin braucht je nach Fitnesszustand 3 bis 6 Monate, bis sie so aufgebaut ist, dass sie die Bewegungen auch „halten“ und für den Körper unschädlich ausführen kann (wir trainieren ja nicht 6-mal die Woche mit den Frauen und nicht jede übt täglich daheim). Warum müssen Küken schon nach so kurzer Zeit unbedingt vors Publikum – und die Frage ist dabei, wollen sie das überhaupt? Ein Tänzchen auf einem internen Fest ist das Eine … da kann mit einem Augenzwinkern einfach locker vom Fleck weg getanzt werden – wenn frau das will – aber die große Bühne ist meiner Ansicht nach für Anfänger ein No-Go.
Langsam den Körper kennen lernen und die Veränderungen spüren und bewusst erleben ist eines der größten Abenteuer eines Bauchtanzneulings
 und das will und kann ich nicht durch überzogene Zielsetzungen ersticken. Aber es gibt auch andere Ansätze und immer wieder sehe ich eher unbeholfene Versuche, in einem Bauchtanzkostüm nach 12 Stunden Unterricht in eine Rolle zu schlüpfen, die nicht passt. Die Verantwortung sehe ich dabei einzig und allein bei den Lehrerinnen. Ihr entscheidet, wann Eure Schüler so weit sind, und Ihr solltet nicht Euer Seelenheil in der Präsentation Eurer Schüler suchen, das könnt Ihr schon durch Eure eigenen Aktivitäten erlangen, ohne überzogene Erwartungen an Eure Schüler zu adressieren. Manchmal kommt es mir vor, als würden die „Kriege“ unter den Trainerinnen in Form ihrer Gruppenaktivitäten ausgefochten statt sich selbst zu „duellieren“  und das auf Kosten der Schülerinnen, die sich natürlich im „siebten Tänzerinnenhimmel“ sehen und Stück für Stück den Blick für die Realität verlieren, wenn sie bereits nach 3 Monaten zur Bühnentänzerin avancieren. Aber auch einen übermotivierten Neuling, der gleich am ersten Tag nach Auftritten fragt, hole ich mitleidlos von seiner rosa Wolke mit „Jetzt lernen wir erst einmal alle unsere Muskelpartien kennen, bringen diese in Form und lernen alle Grundbewegungen, danach sehen wir weiter, auf die Bühne ist es ein weiter und arbeitsreicher Weg“. Spätestens nach der ersten Stunde ist auch dieser Debütantin klar, dass das Bauchtanzen einem nicht einfach so in den Schoß fällt.
Im Ursprung war dieser Tanz ein Tanz innerhalb eines sozialen Gefüges von Frauen, deren Überleben davon abhing, dass sie alle zusammenhielten und füreinander da waren. Heute wird viel zu oft versucht, mit diesem Tanz miteinander in Konkurrenz zu treten. In meinen Augen ist das fast ein Stück Perversion. Dazu kommt aber auch noch ein zweiter Aspekt – das Geld! Es kann auch ein Versuch sein sich Schüler zu halten, indem ich ihnen die „Bühnenkarriere in lila“ verspreche. Nun, dies ist dann natürlich ganz im Zeichen der Zeit, wo Geld die Lobby für Alles ist. An dieser Stelle empfinde ich die Versprechen einer verantwortungslosen Lehrerin fast als Straftat. Nicht nur, dass sie ihrer Schülerin das realistische Selbstbild nimmt, sondern sie führt sie gegebenenfalls auch noch vor, dafür „fremdschäme“ ich mich jedes Mal, wenn ich solche Fälle sehen muss. Nein, es macht mich auch wirklich wütend! Als Lehrerin habe ich eine große Verantwortung, und dazu gehört auch meiner Schülerin zu sagen, wenn sie eben „noch nicht so weit“ ist, auch auf die Gefahr hin, dass sie mich verlässt. Dies sehe ich aber als Akt echten Respekts gegenüber meinem Nächsten!

Müssen wir wirklich den Schülerinnen Honig ums Maul schmieren, um einen Monatsbeitrag mehr im Beutel zu haben? Nun, ich lebe nicht vom Bauchtanzunterricht wie manch andere Kollegin, die sicher ein hartes Brot verdient (diesen Kolleginnen gehört mein ganzer Respekt), aber gerade von diesen „Profis“ (wenn wir das Wort Profi in dem Sinn verstehen, seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten) sehen wir solcherlei Dinge so gut wie nie, dabei wäre für mich dort die monetäre Zwangslage noch fast eine Entschuldigung, wenn auch eine traurige. Nein, hauptsächlich finden sich diese Auswüchse bei den „Nebenberufsdozentinnen“ wie ich eine bin (ich nenne das gerne auch Feld-, Wald- und Wiesenhüpfer). Seltsam, warum ist das so, wo doch da das Überleben der einzelnen Dozentin nicht von der Teilnahme einer Schülerin mehr oder weniger abhängt. Ist es wirklich so, dass sich die Dozentin nicht traut, ihren Schülerinnen reinen Wein einzuschenken? Muss die rosa Wolke herhalten, um alle am Ball zu halten? Dann haben wir es nicht verstanden! Vielleicht geht die eine oder andere Lehrerin in sich und denkt noch einmal darüber nach, was sie ihren Schülerinnen schuldig ist – lasst die Sache mit den viel zu frühen Auftritten und macht lieber mal ein schönes Schülerfest, auf dem sich die Küken austoben können und auch mal bei den weiter Fortgeschrittenen staunen dürfen, damit sie ein realistisches und ehrliches Ziel haben können. In diesem Sinne wünsche ich Euch einen Herbst mit vielen „goldenen“ Tagen und schönen Momenten in unserem Tanz
Eure Dahab Sahar

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