Montag, 23. Mai 2016

Fusionmania, Burlesque-Oriental und anderer Wahnsinn

Es hat schon so viele Statements zum Thema Fusion gegeben – so viele Meinungen und so viele Diskussionen und trotzdem lässt mich das Thema nicht los. Gerade vor ein paar Tagen hatte ich es darüber mit einer jungen Kollegin. Fusion – ja natürlich – warum nicht – aber dann bitte professionell! Und gleich stellt sich mir die Frage: gibt es diese Entwicklung auch in anderen Tanzarten? Ja sicher, im Bereich klassischer Tanz hat es immer Weiterentwicklungen gegeben. Aber „Fusion“? Schau ich in den klassischen Tanz steht hier immer zuerst die tänzerische Grundausbildung. So ist es auch in den sog. Tanz“sport“arten. Hier wird niemand auf großen Bühnen stehen ohne vorher eine festgeschriebene Ausbildung gemacht zu haben. Ist es das was den OT unterscheidet? Schau ich also genau hin, dann haben wir das Problem, das der OT nicht mit einer fest definierten Ausbildung erlernt werden muss. Wir haben uns im Bereich OT bis heute den Anspruch des „Tanzsports“ nicht gegeben d.h. er wird als „Kunst“ gesehen. Kunst ist frei und nicht messbar – so wie bislang der OT. Das ist es was wir eigentlich wollen und das ist auch die Krux daran. Wo keine Vorgaben herrschen kann jeder tun und lassen was er will. (Mal ganz abgesehen davon wie der OT in seinen Heimatländern eingeordnet wird… das sieht es nochmal anders aus – aber das ist nicht das Thema). So kann jeder, der glaubt es zu können Kurse in OT anbieten, wer auch immer beurteilt ob das akzeptabel ist oder nicht. Ob die Dozentin für sich den Anspruch hat fundiert ausgebildet zu sein hängt an ihr selbst zu 100%. Keine Vorgaben, ergo auch keine Zulassungsvoraussetzungen zum Lehrberuf. Die Folge ist eine Schwemme von schlecht ausgebildeten Dozentinnen und Tänzerinnen, die natürlich alle miteinander in Konkurrenz treten. Keine Vorgaben lassen dabei auch eine Bewertbarkeit der Qualifikation nicht zu. So kommt es, dass es unzählige Bauchtänzerinnen gibt und es sehr schwer ist für die Einzelne sich als „Unikat“ herauszustellen. Außer vielleicht bei ihren direkten Sozialkontakten – wo sie die Exotin sein darf und damit ein Alleinstellungsmerkmal hat, unterscheidet Sie sich nicht von unzähligen Mitbewerberinnen mit gleichem Werdegang und ähnlicher Tanzerfahrung. Das wollte „Frau“ dann doch nicht – untergehen im Meer der Bauchtänzerinnen. Ist man kein Ausnahmetalent mit dem Anspruch einer fundierten Ausbildung, fristet man so sein Tänzerinnendasein und beschäftigt sich ausgiebig mit Kritik an den Mitstreiterinnen um wenigstens hier ein gewisses Maß an Genugtuung und Bestätigung zu bekommen … und wenn es auch nur die Unterstützung der Unterrichtsgruppe ist, die oftmals nie über den „Ortstellerand“ geschaut hat. Das ist auch unbedingt zu vermeiden, könnte sich im Nachbarort vielleicht eine Bauchtanzlehrerin befinden, die die eigenen Schüler umwirbt mit einem besseren Angebot. Also los und auch mal mitmachen im Fusionzirkus - Aha, endlich kann man aktiv in Konkurrenz treten ohne sich im Bauchtanz maßgeblich weiter zu qualifizieren, denn das ist ab einem bestimmten Level mit sehr viel Arbeit verbunden und auch nicht jedem ist ausreichend Talent gegeben. (auch das will keiner hören) Nun..dann geh ich zu einem Workshop und eigne mir mal eben ein paar neue Fusionstile an… Da hole ich mir einen Sari und eine lustige Filmmusik und „schwupps“ mach ich auch Bollywood. Einmal alles in schwarz bitte, ein ernstes Gesicht und meine Bauchwellen werden zu Gothic Fusion. Oh… eine tolle Federboa, rote Pumps und ein Korsett – tataa… fertig ist der Burlesque. Ein Baströckchen und ein Blumenkränzchen – jaaa… so muss doch Hula-Oriental aussehen … in meinem Kopf entstehen viele Bilder….und eine Angst „halt … ihr macht alles kaputt!„ Eines ist gewiss, wir werden es nicht ändern, wollen wir dem OT seinen „Kunstcharakter“ lassen. Für mich hat es was von Missbrauch eines in einer Kultur gewachsenen Tanzes. Warum müssen orientalische Tänzerinnen sich in Burlesque-Klamotte werfen und unter dem Namen OT daraus eine Fusion machen? Burlesque ist eine alte Kunst, die von anbetungswürdigen professionellen Burlesque-Tänzerinnen in hinreißender Manier getanzt werden. Die lachen sich schlapp über die „Faschingversion“ Ihres Tanzes. Es gibt Leute die sich jahrzehntelang mit den Tänzen Indiens beschäftigen – mit der Tanzkunst ohne je am Ende des Wissens zu sein – und dann wird das einfach mit Füssen getreten weil jemand glaubt, mit einem Rosa Sari, einer Filmmusik und ein paar Hüftlifts und Kopfschieben jetzt Bollywood zu beherrschen. Stellt sich am Ende die Frage, ob wir mit einer festen und organisierten Ausbildung die bindend wäre zum Ausübend des Dozentenberufes das Problem beheben könnten? Wäre es das Wert die Kunst an den Tanzsport zu „verkaufen“? Und damit mich hier niemand falsch versteht: Es gibt hervorragende FusionistInnen, die sich jahrelang mit Ihren verwendeten Tanzstilen beschäftigt haben. Ihnen gehört mein Respekt, sie bringen den Tanz immer weiter nach vorne und sorgen für echte Weiterentwicklung. Ich verneige mich vor allen, die sich intensiv und ernsthaft mit ihrem Tanz beschäftigen um „des Tanzes willen“. Es sind die Bescheidenen unter uns – so habe ich die großen Künstlerinnen immer kennen gelernt – bescheiden und demütig. Sie haben es nicht nötig andere klein zu machen, weil sie ohne das Kleinmachen von anderen groß sind. Das Motiv entscheidet also wo ich hin will. Habe ich Achtung vor dem was ich tue, dann werde ich nicht nach 3 Jahren OT mich als Spezialistin für 32 Tanz- und Fusionstile bezeichnen. Will ich mir damit allerdings ein „Alleinstellungsmerkmal“ verpassen, dann hilft das doch schon mal…. kurzfristig. Eigentlich wollen doch mindestens 80% der Bauchtanzschülerinnen sich einfach nur gesund bewegen und etwas für die Haltung tun. Warum bleibt man nicht bei einem qualifizierten Basisunterricht statt die Schülerinnen in Dinge zu quälen, die eigentlich keiner will. Ist es nicht eine wunderbare Selbstbestätigung wenn am Ende einer Kursstunde glückliche Gesichter sich für die schöne Stunde bedanken? Für mich jedenfalls ist das das Größte und das was auch mich glücklich macht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen